Arme­nien, der Win­zer und der Wein

Der Win­zer Hovakim

Arme­nier trin­ken ihren Wein nicht, sie reden mit ihm. Hova­kim lacht in sei­nen grauen Drei­tage-Bart und schiebt sei­nen Schlapp­hut tie­fer ins Gesicht. Seine Kopf­be­de­ckung erin­nert ein wenig an Indiana Jones und seine Augen erzäh­len von min­des­tens so vie­len Aben­teu­ern, wie der fik­tive Held an sei­nem Namen trägt.  Arme­nier müs­sen mit ihrem Wein reden.  Des­we­gen heißt der Trink­spruch auch „ken­natzd!“, was über­setzt so viel bedeu­tet wie „Leben“. Und irgend­wie passt es zu die­sem Land, zu die­sen Leu­ten hier. Auf das Leben ansto­ßen und dabei den Blick schräg gen Him­mel gerich­tet, denn es gibt sie sehr wohl noch. Und sie haben sicher eini­gen Schwer­mut in der Seele, aber min­des­tens so viel Lebens­freude im Her­zen zum Ausgleich.

Hova­kim ist ein Poet. Er ist auch ein Unter­neh­mer, aber er ist vor allem ein Poet. Er liebt Worte, arbei­tet gerade an einem Buch, kann stun­den­lang Geschich­ten erzäh­len und ent­zün­det mit sei­nen Wor­ten ein ima­gi­nä­res Lager­feuer. Man lauscht sei­nen Wor­ten und er macht es wie ein Cello, er singt sich lang­sam in die Seele. Ohne Wein gäbe es aber all die Bil­der nicht, die er mit sich trägt. Und so ist der Poet im wirk­li­chen Leben ein Unter­neh­mer, ein Restau­rant­be­sit­zer, ein Win­zer. Den Wein, den er mit war­men Schlu­cken anpreist, hat er gerade für Gäste geöffnet.

Viele Fla­schen gibt es von sei­nem arme­ni­schen Bor­deaux nicht, trotz­dem wird sie geleert. Denn Gast­freund­schaft bedeu­tet in Arme­nien fast genau so viel, wie mit gera­dem Blick in die Sonne zu schauen. Das kann man eben hier. Woan­ders mag man Son­nen­bril­len tra­gen, hier nicht. Die Augen haben sich an das grelle Licht hier in den Anhö­hen der Vayots Dzor Region gewöhnt. Ich darf Gast sein in sei­nem klei­nen Wein­gut in der Nähe von Aghavnadzor.

 

Der älteste Wein­kel­ler der Welt

Arme­ni­sche Worte hören sich immer wie die Ãœber­schrift zu einer alten Sage an. Hier wird auf jeden Fall Wein her­stellt wie vor 6100 Jah­ren.  Nun ja, die eine oder andere Geschichte muss man Hova­kim Sag­ha­telyan nicht glau­ben. Fakt ist aber, neben dem ältes­ten Schuh gab es einen wei­te­ren Sen­sa­ti­ons­fund 2011,  in der Aus­gra­bungs­stätte Areni- 1, nur unweit von sei­nem Wein­gut ent­fernt.  Der welt­weit älteste Wein­kel­ler wurde in einer Höhle Arme­ni­ens ent­deckt. Meh­rere 6100-jäh­rige Trau­ben­stämme und getrock­nete, gepresste Trau­ben wur­den in der Wein­presse iden­ti­fi­ziert. Damit steht fest: der älteste Wein­kel­ler ruht also in einem Land, das gerade seine Per­sön­lich­keit im Wein wie­der­ent­deckt. Gewür­digt wird die­ser archäo­lo­gi­sche Fund mit dem schlich­ten Namen „6100“ auf dem Etikett.

Ob schi­cke, kleine Wein­bars, die im Nacht­le­ben wir­ken, als hätte man sie New York oder Tel Aviv geklaut, Arme­nien gibt keine lei­sen Töne mehr von sich. Eines der ange­sag­ten Restau­rants in Jere­wan gehört Hova­kim. Man sieht es ihm kaum an. Er sieht eher so aus, als würde er gleich wie­der in sei­ner Hän­ge­matte ein neues Gedicht in die Luft malen. Oder viel­leicht ein neues Land ent­de­cken. Viel­leicht spie­gelt er aber auch nur die Stim­mung in mir wie­der. Ein Land ent­de­cken. Geht das heute eigent­lich noch? Ãœber­all gibt es Plas­tik- Spei­se­kar­ten mit inter­na­tio­na­len Gerich­ten, Frem­den­füh­rer, Tram­pel­pfade, aus­fo­to­gra­fierte Denk­mä­ler. Und dann lan­det man in Arme­nien und nichts davon exis­tiert hier. Bis auf ver­sierte Füh­rer, die Ger­ma­nis­tik in Arme­nien stu­diert haben und mit denen man Arme­nien ent­de­cken kann, aber nicht muss. Denn auch wer es indi­vi­du­ell mag, kommt hier nicht zu kurz. Hova­kim weiß das und er schmun­zelt. Schließ­lich liebt er sein Land, das viel mehr ist als nur Geschichte, Tote und ein alter Schuh.

In Arme­nien darf man zum Ent­de­cker wer­den. Man kann Ãœber­bleib­sel der Sowjet­union ver­ros­ten sehen, alte, bild­hafte Por­tale in klei­nen Gas­sen bestau­nen, atem­be­rau­bende Klös­ter in bibli­schen Land­schaf­ten erklim­men. Und man kann unglaub­lich guten Wein erle­ben. Unter der Marke „Tri­nity“ bauen Hova­kim  und seine zwei Freunde beson­ders alte Reb­sor­ten an. Auf 1300 Metern ver­eint sich Vul­kan- Erde, Sand und Kies zu einem beson­ders nahr­haf­ten Boden. Wenn ich mich umbli­cke, sehe ich glei­ßen­des Son­nen­licht, kleine Pla­teaus auf den grü­nen Hügeln in der Ent­fer­nung, kleine Stein­häu­ser und immer wie­der koh­le­far­bene Augen­paare, die sich schel­misch dar­über freuen, das ihr Wein auch schon in Can­nes aus­ge­zeich­net wurde.

 

Die Män­ner von Trinity

Artem ist zustän­dig für die letz­ten Jahr­gänge bei Tri­nity. Ob Rot­wein, Rose oder Weiß­wein, alles wird hier mit Hand gemacht und mit viel Geduld und Liebe kre­iert. Artem kennt Deutsch­land sehr gut, schließ­lich liebt er gute Ries­linge und hat meh­rere deut­sche Win­zer ken­nen­ge­lernt und bei ihnen Prak­tika absol­viert. Sofort ver­liert er sein Jun­gen­la­chen, wenn er den Wein ent­korkt, denn das ist schließ­lich sein Beruf- den bes­ten Wein Arme­ni­ens her­zu­stel­len. Aus ganz Arme­nien kom­men Bestel­lun­gen, aus den USA auch, aber aus Deutsch­land noch nicht. Schade, meint Artem, ich würde ihnen gerne all das Gelernte zurückgeben.

Trotz inter­na­tio­na­ler Aus­zeich­nun­gen sind die Män­ner von „Tri­nity“ boden­stän­dig, sogar zurück­hal­tend und kon­zen­triert. Hova­kim ver­kauft sei­nen Wein in sei­ner eige­nen Wein­bar und wäh­rend Stu­den­ten und Tou­ris­ten den voll­mun­di­gen Rot­wein, mit dem Hauch von Zimt, rau­chi­gem Holz und son­ni­gen Boden genie­ßen, geht die Wein­lese mit lei­sen Schrit­ten voran. Den arme­ni­schen Wein gilt es zu erobern, denn er muss sich schon lange nicht mehr ver­ste­cken. Wie das Land, das einen Teil der Sei­den­straße in sich trägt, das weite, schier end­lose Ebe­nen sein eigen nennt, schnee­be­deckte Vul­kan­spit­zen, Can­yons, Höh­len, eine leben­dige Haupt­stadt, die immer mehr am Auf­blü­hen ist und Men­schen, die einen Moment zögern, nur um dann aus tiefs­tem Her­zen zu lächeln. Keenatzd! Auf das Leben – wer Arme­nien ken­nen­ler­nen möchte, sollte anfan­gen mit sei­nem Wein zu reden. Er hat min­des­tens genauso viele Geschich­ten in sich, wie der Him­mel über Armenien.

Text und Bil­der: Sabrina Gan­der   www.sabrinagander.de

Mehr zum viney­ard:   http://trinitycv.com/

Und noch mehr zu Arme­nien: http://www.armeniainfo.am